GilGul für Sopran und Cello

GilGul für Sopran und Cello

Noten erhältlich bei der Universal Edition

https://www.universaledition.com/gilgul-doehlemann-max-ues101160-000

Veröffentlicht auch auf dem CD-Album Ruach.

GilGul – Groteske, Miniatur-Musiktheater. Für Sopran und Cello. Ich sondiere hier eine Form zwischen Musik, Literatur und Theater. Die Aufführung kann eher konzertant stattfinden oder auch in der kleinen Form theatralisch inszeniert werden

Die Textkollage stammt von mir und besteht aus obskurantistischer Golem-Kolportage, Kafka, uralten magisch-sakralen Texten, Sigmund-Freud Zitaten und beinhaltet experimentellen Umgang mit Sprache. Erzählung, Verfremdung manchmal löst sich Sprache in Silben und Einzelbuchstaben auf. Die Welt und jeder Schöpfungsakt entsteht aus Sprache.

Es geht um Verwandlungen. Im Zentrum steht das uralte und geheimnisvolle „Sefer Jezira“, das „Buch der Schöpfung“. Dieses Buch wurde seit dem frühen Mittelalter gelesen als mystische Introspektion der rabbinischen Weisen, es klingt aber fast wie ein Zauberbuch. Die Welt wurde aus Worten erschaffen, Worten und Zahlen (was im hebräischen Alphabet ein und das selbe sein kann). In diesen Worten liegt magische Macht, schöpferische Macht. Wenn man die Wortkombination wiederfinden könnte, mit der Gott Adam den Lebensatem eingehaucht hat (Adama heißt auf hebräisch Erde, Adam also quasi „Erdling“), kann aus Erde ein Golem erschaffen werden. Zu erschaffenen Golems gibt es verschiedene mysteriöse Legenden – u.a. Gustav Meyrink hat das Thema in den 1920-er Jahren in einer Art von schauerlichem Groschenroman aufgegriffen – sicher ein problematisches Buch, weil es darin von antisemitischen Klischees nur so wimmelt. Aber der merkwürdige, raunende Obskurantismus hat mich interessiert, davon habe ich manches einfließen lassen.

Wenn man dieWorte aus dem Sefer Jezira ausspricht (es sind ja auch uralte Zauberworte) muss natürlich etwas „passieren“. Oder außer Kontrolle geraten. Plötzlich sind wir bei Gregor Samsas Verwandlung in Kafkas gleichnamiger Novelle. Das ganze wird total verrückt, irgendwann schlafen alle beim Spielen ein, um mit „GilGul“ wieder aufzuschrecken.

Das hebräische Wort Gilgul könnte man mit „Verwandlung“ übersetzen. In der esoterischen Tradition der jüdischen Kabbalah steht der Begriff für Seelenwanderung. „GilGul“ verstehe ich sozusagen als Überspringen einer Idee, als Übergang, eine Folge von außer Kontrolle geratener Wort-Magie.

Das Stück erinnert an ein magisches Ritual, sozusagen eine Art spiritistischer Séance im Sekundenschlaf, transformiert auf die Ebene von Musik. Kunst beinhaltet in ihren besten Momenten immer auch eine säkularisierte magische Handlung, stellt eine „Magie“ her. Diese „Magie“, die in Kunst liegen kann, ist eine Handlung, die etwas BEWIRKT. Eine Transformation von Ideen, von Gefühlszuständen. Die Kunst WIRKT auf den Zuhörer, verwandelt ihn womöglich sogar in einen neuen Zustand.

Das Stück schließt ab mit einem Zitat von Sigmund Freud – was das alles nochmal auf eine andere Ebene transformiert. Gil Gul als Ebenenwechsel.

Das Stück ist für das Duo-Programm von Andrea Chudak (Sopran)  und Ekaterina Gorynina (Cello) komponiert und ist den Künstlerinnen gewidmet.

Uraufgeführt 2018