Le vin perdu (nach P. Valéry)

Le vin perdu, ein faszinierendes Gedicht von Paul Valéry, das mich schon seit Anfang der 90er-Jahre begleitet. Ich habe über die Jahre mehrere Versuche gemacht, es zu vertonen, fühlte mich  dem Text aber lange Jahre nicht gewachsen. Anfang 2015 habe ich es dann so vertont, dass es für mich Bestand hatte. Die Kompositionsweise geht dabei recht konträr zum Text, benutzt stark rhythmische Elemente und eine Art zersplitterten Choral. Harmonisch arbeitet das Stück u.a. mit Scriabins „mystischem Akkord“ und dessen harmonischer Negation, also der 6-tönigen gen-Skala, die aus allen Tönen besteht, die NICHT im mystischen Akkord enthalten sind.

Paul Valéry: le Vin Perdu
J’ai, quelque jour, dans l’Océan,
(mais je ne sais plus sous quels cieux),
Jeté, comme offrande au néant,
Tout un peu de vin précieux…

Qui voulut ta perte, ô liqueur?
J’obéis peut-être au devin?
Peut-être au souci de mon coeur,
Songeant au sang, versant le vin?

Sa transparence accoutumée
Après une rose fumée
Reprit aussi pure la mer…

Perdu ce vin, ivres les ondes!…
J’ai vu bondir dans l’air amer
Les figures les plus profondes…

 

Der verlorene Wein (Übersetzung: Rilke)

Einmal hab ich (ich weiß nicht mehr unter
welchen Himmeln), als Opferung
an das Nichts, in das Weltmeer hinunter
Wein geschleudert in einem Schwung …

Wer verlangte deinen Verlust,
Tropfen? Hieß es ein Seher gut?
Oder hat nur mein Herz so gemußt,
meint ich, den Wein vergießend, Blut?

Gleich und schon wieder wie immer
klärte durchscheinender Schimmer
vor mir das Meer, drin es rötlich verrinnt…

Weg der Wein, doch die Wellen sind trunken!…
Und da sah ich den herberen Wind
von Gestalten der Tiefe durchwunken…